Alte Wehrkirche

Kirchenplatz

Dieser Platz von Nieder-Saulheim hat Geschichte.

Dorfplatz oder auch Kirchplatz mit dem Untertitel „wo wir uns versammeln“;

in Anlehnung an den Titel der Schrift der Ev. Kirche von 1986.

Wer hat sich in den letzten Jahrhunderten an diesem Ort versammelt?

Kirchliche Versammlungen, politische Versammlungen, wie zwischen 1933 und 1944, Soldaten-Musterungen im ersten Weltkrieg, die Deutsche Revolution 1848, die napoleonische Zeit, die Erstellung eines Freiheitsbaumes usw. Auch Trauernde, die ihre Angehörigen hier auf dem alten Kirchhof zur letzte Ruhe begleiteten, haben sich hier versammelt.

Der Saulheimer Chronist Jakob Koehler ( 1872 – 1962 ) schreibt:

Der alte Friedhof mitten im Ort. An Schnittpunkten von 6 Straßen unmittelbar vor der damaligen Bartholomäuskirche 1344–1828 lag der uralte Ortsfriedhof. Nachdem die fränkische Siedlung als Ort Gestalt annahm, wurden die ersten Toten bestattet.

Vielleicht 900 Jahre lang bis Januar 1830.

Dieser Kirchhof soll mit einer starken Mauer umgeben gewesen sein und war für mindestens 40 Generationen die letzte Ruhestätte.

( auf dem neuen Friedhof sind bis jetzt 8 Generationen beerdigt worden )

Diese Wehrmauer des Kirchhofes war mit Schießscharten und Abwurfanlagen versehen, wie alte Urkunden und mündliche Überlieferungen berichten.

Das Rheinhessische Land hat keine Wälder oder hohen Berge wo sich die Bewohner in Sicherheit bringen konnten. So gab es in vielen Rheinhessischen Ortschaften befestigte Wehrfriedhöfe.

Wegen des mehrmalig notwendigen Überfahrens mit Erde in dieser so langen Zeitspanne der Bestattung hatte der geweihte Ort schließlich eine Höhe von beträchtlichem Ausmaße erreicht. Beim Aufstieg von der Weedengasse aus waren es 32 Stufen bis zum Plateau: das war ein Höhenunterschied von ca. 6 Meter.

In Jahre 1858 wurden, nach dem Abräumen des Kirchhofes, die menschlichen Gebeine in den noch vorhandenen Wallgraben hinter dem Park des Haxthausischen Gutshauses gebracht. Bei der Aushebung eines Kellers und Erstellung einer neuen Scheuer gegenüber dem Eingang des Friedhofes hat man die Skelette haufenweise zu Tage gefördert.

( Der Wallgraben grenzte den Park nach Westen ab. Der Park ging bis zu der heutigen Rektor Koehler-Strasse )

Der Kirchhof ist außer seinem eigentlichen Zweck in einer doppelten Sinne bemerkenswert:

1.) als Sitz des Gerichtes.

2.) als Zitadelle-Befestigungsanlage des Dorfes.

Vor der Erbauung des Rathauses hatte das Gericht seinen bestimmten Sitz innerhalb des Dorfes im Freien, auf dem Kirchhof, vermutlich unter einer Dorflinde. Prof. Neeb schreibt von einem Rechtsstreit über eine Dorflinde bei der die Gemeinde Sieger blieb.

NEEB

Auf dem alten Kirchhof fanden die Frauen des langjährigen Bürgermeisters und Ehrenbürgers von Saulheim, Prof. Dr. Johannes Neeb, und die allzu früh verstorbenen Kinder und die Eltern seiner letzten Frau ihre letzte Ruhe. Johannes Neeb selbst wurde auf dem neuen Friedhof an der Neuen-Pforte beigesetzt, der in seiner Amtszeit 1830 angelegt wurde.

Die alte Simultankirche

dem Heiligen Bartholomäus geweiht

Die erste Erwähnung einer Kirche in Nieder-Saulheim stammt aus dem Jahre 1219.

Der Mainzer Erzbischof Siegfried II übergab die Kirche in Nieder-Saulheim

(„ inferiori Souelnheim“ ) an seinen Subdiakon Alatrinus, Propst zu Sankt Maria im Felde vor Mainz. Am 17. Juni des folgenden Jahres bestätigte Papst Honorius III. dem Stift Sankt Maria seine Besitzungen in Nieder-Saulheim, besonders die vom Erzbischof geschenkte Kirche.

Diese erste Kirche war vermutlich eine Holzkirche wie es bis zum Ende des

12. Jahrhundert in Rheinhessen üblich war.

Im Jahre 1344 häufig wird auch das Jahr 1324 genannt, wurde der Grundstein zu einer neuen Kirche gelegt.

Der Chronist Jakob Decker (1885- 1973 schreibt:

Wegen Mangel einer Geburtsurkunde lassen wir Steine reden . Ein Stein am Turm der Kirche, dicht wider dem vor erwähnten Kirchhof. Er trug folgende Inschrift:

( „ Anno Domini 1344—-positus primus lapius structurae“ )

Im Jahre 1344 —- ist der erste Stein dieses Baues gelegt worden.

Diese Kirche auf der Rückseite des alten befestigten Wehrfriedhof war sehr ansehnlich und umfänglich, an den Wänden entlang standen die Grabmäler der hier ansässigen Rittergeschlechter, außerdem auch die ihrer verstorbenen Verwanden.

Nach mündlicher Überlieferung soll die Kirche zeitweise sieben Glocken gehabt haben 1689 bei der Zerstörung der Pfalz, sollen einige Glocken reqirirt worden sein.

Im Inneren der Kirche gab es sieben Altäre, die zum Großteil von adeligen Familien gestiftet worden waren.

Im Jahre 1697 führten die Ganerben einen Vergleich zwischen den Katholiken und den Lutheraner herbei, wobei der gesamte kirchliche Besitz in zwei gleiche Hälften

aufgeteilt wurde. Das war der Beginn der Nutzung der Bartholomäuskirche durch beiden Konfessionen.

1828 mußte die Kirche wegen Baufälligkeit geschlossen werden. 1830 stürzte der Turm ein, worauf 1832 das Langhaus abgetragen wurde. Nur Chor und Sakristei blieben bis 1848 stehen.

Aus dem Innern sind noch wenige Gegenstände erhalten geblieben. Zwei Glasfenster

befinden sich heute im Landesmuseum für Kunst in Darmstadt, weiterhin der Prospekt der zwei-manualigen Orgel, die nach Sprendlingen verkauft wurde. Es handelte sich um ein Instrument der sehr bekannten Orgelbauer Familie Gebrüder Stumm aus Raunen-Sulsbach. In der heutigen katholischen Kirche sind noch ein Kelch aus dem Jahre 1710 und eine Monstranz aus dem Jahre 1720 in Gebrauch.

Die beide Gegenstände stiftete der Ganerbe Gottfried Langwerth von Simmern, Weihbischof von Regensburg.

Auch in der evangelischen Kirche befinden sich noch Abendmahlsgeräte, die in der alten Simultankirche benutzt wurden.

Man kann hoffen, dass sich in der

neuen digitalen Zeit noch oft Menschen

an diesem historischen Ort versammeln.

Quellen: Jakob Decker, Jakob Koehler, Schrift der Ev. Kirche „ wo wir uns versammeln“

Juli 2019 Günther Kaul